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  • AutorenbildUnser Salzkammergut

Neues Leben für alte Stühle

Der Antiquitätentischler Wilhelm Kanzler trägt einen Kilt und macht auch sonst Dinge, die kaum einer tut. Mit der Restaurierung des Geflechts alter Thonetstühle ist der Handwerker allein auf weiter Flur. Warum er dies dennoch macht, obwohl man nicht davon leben kann, hat er uns in seiner Werkstatt in Hof bei Salzburg erklärt.



Wilhelm Kanzler ist eine echte Persönlichkeit, ein „g‘standener Mann“ sozusagen. Sein Erscheinungsbild lässt einen gleich erahnen, dass dieser Herr keinen „08/15-Job“ ausübt. Hosen zum Beispiel besitzt der Tischler seit über zehn Jahren nicht mehr, denn er trägt einen Kilt, Sommer wie Winter. „Im ersten Winter war das schon ein wenig frisch, doch „Mann“ gewöhnt sich daran“, lacht der Kunsthandwerker und öffnet das große Tor zu seiner Werkstatt.


Auch beruflich hat sich Kanzler in gewisser Weise eine Nische gesucht. Der Tischler mit Kilt restauriert seit 40 Jahren antike Möbel und seit gut 14 Jahren beherrscht er das Flechten für die Wiederherstellung ausrangierter, kaputter Sitzklassiker. In seiner Werkstatt stehen viele Exemplare davon: Stühle aus der Barockzeit, der Epoche des Biedermeier, der Jugendstil-Ära und der Periode des Art déco – allesamt warten sie auf einen lebensverlängernden Eingriff vom Spezialisten.


Die Renovierung von Stühlen

Gelernt hat Wilhelm Kanzler das Handwerk bei seinem Vater hier in dieser Werkstatt, Anfang der 1980er-Jahre. „Damals gab es auch noch einen Korbflechter in Salzburg“, erinnert sich der Tischler. „Der ist jedoch bereits vor 30 Jahren verstorben und so standen wir eines Tages vor dem Problem, für die Restaurierung von Korbgeflechten, wie sie bei Thonetstühlen eingearbeitet sind, keinen Spezialisten mehr zu haben, der diese aufwendige Restaurierungsarbeit macht.“


Jahre später, nachdem Wilhelm Kanzler die Werkstatt schon vom Vater übernommen hatte, habe er dann durch Zufall einen Antiquitätentischler kennengelernt. „Auf einem Kirchweihfest ist der in einer Ecke gesessen und hat Thonetstühle geflochten“, erinnert sich Kanzler. „Ich habe ihn natürlich gleich angesprochen und gefragt, ob ich ihm gut ein Dutzend dieser Sessel zum Restaurieren bringen dürfe“, worauf der Mann erwidert hat: „Tut mir sehr leid, aber das schaffe ich nicht.“



„Damals wusste ich ja noch nicht, wieviel Arbeit das Flechten ist und ich war etwas verwundert, da ich den Tischler für seine Arbeit ja bezahlt hätte! Schließlich schlug er mir vor: ‚Komm doch mit deinen Stühlen einfach zu mir und ich zeig‘ dir, wie das geht!‘ Und so bin ich zu ihm in seine Werkstatt gefahren, hinauf in den Böhmischen Wald, und wir haben ein paar Tage gemeinsam geflochten.“


Die Kunst des Flechtens

Das Flechten beherrscht der Tischler aus Hof bei Salzburg nun seit knapp 14 Jahren und hat dies auch zwei von seinen drei mittlerweile erwachsenen Kindern beigebracht. Wilhelm Kanzler demonstriert anhand eines Biedermeier Sessels mit einem relativ kleinen Rahmen, wo das Geflecht wieder neu hergestellt werden soll. Er nimmt einen Flechtfaden in Form eines schmalen Rattanstreifens und erklärt: „Die Vorgaben hat man durch die Lochung im Rahmen. Zuerst werden zwei Längs- und zwei Querfäden gespannt und schließlich zwei Diagonalfäden reingeflochten. So entsteht diese achteckige Struktur.“


Die Technik sei immer dieselbe, egal ob runde Sitzform oder eckige. Wobei man zwischen diesem klassischen Muster, dem „Wiener Geflecht“, welches bei Thonetsesseln bis heute angewendet wird, dem strahlenförmigen „Sonnengeflecht“, das gerne bei Rückenlehnen zu finden ist und dem einfachen wie doppelten „Victoriageflecht“, üblich bei Trennwänden und Kastentüren, unterscheidet. Wie lange Kanzler dafür gebraucht habe, bis er die Techniken beherrschte? „Das war und ist Learning by doing“, sagt der Tischler gelassen. „Es passiert mir nämlich immer noch, dass ich mit dem Materialfaden irgendwann irgendwo falsch abbiege oder dieser bricht, dann muss das Geflecht wieder herausgeschnitten und von vorne begonnen werden.“



Lassen Sie sich inspirieren!


Die ganze Geschichte lesen Sie jetzt in der aktuellen Ausgabe.

Text: Zivana de Kozierowski Fotos: Monika Löff



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