Unser Salzkammergut
Attersee-Porträts mit Tiefgang
Aktualisiert: 3. Juni 2020
Türkisblau. Trinkwassertauglich. Tiefgründig. Wir erkunden das
Meer des Salzkammerguts mit Sonnenhut, Tauchanzug und Fernrohr.
Gemeinsam mit einer Naturparkbotschafterin, einem Tauchpionier
und einer Unternehmenskapitänin spüren wir seine Seele auf.

Kein in kostbaren Edelsteinen erstarrtes Licht sprüht farbigeres Leuchten als die Blumenblüten. Alles nur erdenkliche Farbenflammen, Farbenleuchten, Farbenglühen, Farbenschimmern bieten die Blumenblüten dar.“ Gustav Klimt. Kein Zitat eines anderen Künstlers würde sich besser eignen, um eine Erkundungstour am Attersee zu beginnen.
In den Sommermonaten zwischen 1900 und 1916 verbrachte der bedeutende Jugendstil-Maler regelmäßig Zeit in dieser Region. Er wäre inzwischen 155 Jahre und 11 Monate alt und wird uns bei Besuchen am Attersee noch mehrmals begegnen. Schon
Klimt geriet seinerzeit für die Gegend ins Schwärmen, so wie viele heute. Einheimische
genauso wie Zuagroaste und Zurückgekehrte.
See-Flora
Klimts Blüten-Zitat könnte auch von ihr stammen, doch der Poesie zieht Bärbel Ranseder die Botanik vor. Eingeheiratet in eine der ältesten Baumschulen Österreichs mit Sitz im Innviertel, lenkte sie dort 25 Jahre lang erfolgreich die Geschicke. Eher unverhofft verschlug es die ehemalige Chefin gemeinsam mit ihrem Mann vor drei Jahren nach Weyregg am Attersee, als ihnen Erzählungen über ein kleines Häuschen aus Holz und Stein mitten im Grünen zu Ohren kamen, in das sie sich sofort verliebten. So hat sich Bärbel Ranseder einen lange gehegten Wunsch erfüllt und widmet sich als Freischaffende ihrem Lieblingsgebiet Pflanzen und Kräuter. Die Baumschule führt seit sieben Jahren ihr Sohn weiter. „Die Natur erstaunt mich jeden Tag immer wieder aufs Neue“, schwingt unaufhaltsamer Enthusiasmus in Bärbels Worten mit. Die Liebe zu den Pflanzen, ein fruchtbarer Erfahrungsschatz und pure Lebensfreude spiegeln sich in ihren Augen, wenn sie erzählt.

"Die Natur erstaunt mich jeden Tag aufs Neue."
Vor fünf Jahren absolvierte die gebürtige Fränkin die Ausbildung zur Kräuterpädagogin
und schrieb ein Buch über Heil- und Kräuterweine. Diesen Wissensschatz und ihre Begeisterung für Pflanzen weiterzugeben, ist in den nächsten Jahren ihr Ziel. Wie gut, dass sie jetzt gleich selbst im einzigen Naturpark des Salzkammerguts, dem 77 Quadratkilometer großen „Waldmeer“ zwischen Attersee und Traunsee, wohnt – sanfte Lärchenweiden, den nördlichsten Maroniwald überhaupt, blühende Streuobstwiesen,
seltene Zwetschkenarten und verborgene Almen in greifbarer Nähe.Die charakteristische Kultur- und Naturlandschaft im sogenannten Flyschbergland
entstand im Laufe der Jahrhunderte durch die traditionelle Bewirtschaftung
der Bauern. Als eine von mehreren Naturvermittlern erkundet Bärbel gemeinsam
mit interessierten Besuchern nun Wiesen und Wälder, bringt die heilenden Kräfte der heimischen Pflanzen näher, sammelt essbares Grün und ermittelt in ihrer Erlebnisführung „Krimi und Kräuter“ in Sachen Giftpflanzen und deren Wirkung. Oft radelt die 65-Jährige schon frühmorgens zum nahegelegenen See und springt in das
erfrischende Türkis. Und an manchen Tagen taucht sie als „Pfahlbäuerin“ wieder auf.

See-Kultur
See-Kultur. Die berühmten Pfahlbauten am Attersee und am Mondsee zählen seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Allein am Attersee konnten die Überreste von mehr als 30 Pfahlbaudörfern aus der Jungsteinzeit nachgewiesen werden. In je einem Pavillon
in Seewalchen und im Ort Attersee wurde die Geschichte dieser Bauwerke aufgearbeitet und nachempfunden. So ist es heute möglich, einfach in die Rolle eines Urzeitmenschen zu schlüpfen. Während der Sommermonate lassen geschulte Pfahlbauvermittler Geschichte lebendig werden, blicken 6.000 Jahre zurück und führen im Zuge einer
Erstaunlich, wieviel Genießbares und Heilsames der Naturpark Attersee-Traunsee herzugeben hat. Bärbel Ranseder: Naturparkbotschafterin, Kräuterpädagogin, Bauchautorin, Ethnobotanikerin, „Pfahlbäuerin“ und Mitwirkende im Pfahlbauverein
sorgt bei Führungen für unvergessliche Naturerlebnisse. Ihr Zelt hat sie am Gahberg
in Weyregg aufgeschlagen. Schiffstour zu den Welterbestätten im See. Kinder können lernen, Steinzeitwerkzeuge zu basteln und erfahren, dass schon in der Steinzeit Kaugummi gekaut wurde. Nach wie vor sind die archäologischen Pfahlbauten Gegenstand von Untersuchungen. Heute erforschen hoch spezialisierte Archäologen und Forschungstaucher die Pfahlbausiedlungen. Doch auch Sporttaucher, Fischer
und Anrainer machen immer wieder Entdeckungen und tragen durch ihre
Meldungen beim Bundesdenkmalamt zur Geschichtsforschung und zum
Schutz archäologischer Fundstellen bei. Vorletzten Oktober wohnte „Pfahlbäuerin“
Bärbel Ranseder zwei Wochen lang als Citizen Scientist dem Grabungsteam
in Weyregg bei – und freute sich an der Schlämmstation über Funde wie
Keramikscherben, Pfeilspitzen, Silexsteine oder unglaubliche Miniaturen wie Haselnussschalen oder Leinsamen. Eine kleine Sensation sorgte schließlich letzten Dezember für Aufsehen, als der erste Einbaum – bzw. ein drei Meter langes Stück davon – im Attersee gefunden wurde. Tauchlehrer Andreas Six machte die Entdeckung in der Nähe der Pfahlbau-Siedlung Weyregg II. Das hat in Oberösterreich Seltenheitswert.
Das Kuratorium Pfahlbauten datiert den Fund auf 1550 n. Chr. Auch wenn das einst wichtige Fortbewegungsmittel nicht so alt war wie zuerst gedacht, so bleibt es doch der erste unterwasserarchäologische Fund eines Einbaums in Oberösterreich. Neugierig geworden auf die Unterwasserwelt des Sees machen wir uns weiter auf den Weg und
treffen jemanden, der mit allen Wassern gewaschen ist: Helmut „Hellas“ Riepl.

See-Pioniere
Gemächlich schlagen die Wellen gegen den befestigten Hafen in Schörfling. Die weißen Boote mit ihren himmelwärts gereckten Masten schaukeln gemütlich hin und her und warten auf das Kommando „Leinen los“. Dazwischen fällt eine 14 Meter lange Plätte auf: ein 14 Jahre altes Holzschiff, das von Hellas Riepl gemeinsam mit drei Kumpanen nach alten Plänen angefertigt wurde. Am Ankerplatz der „Marina Kammer“ plaudert der weitgereiste Matrose und einstige „Kramer von Kammer“ mit uns über sein bewegtes
Leben, das sich mehr unter als über dem Wasserspiegel abspielte und Tauchlehrer Andreas Six fand Ende letzten Jahres einen drei Meter langen Teil eines Einbaums bei Unterwasserarbeiten in der Nähe der Pfahlbausiedlung in Weyregg. MIT ALLEN
WASSERN GEWASCHEN: Tauchpionier Hellas Riepl stets von Neugierde und Abenteuerlust getrieben war. Was ihm der Attersee bedeutet, ist mit einem Satz erklärt: „Das ist die schönste Gegend der Welt!“ Und das heißt etwas. Schließlich hat er in sechs Jahren bei der Handelsmarine viel von der Welt gesehen. Geboren wurde Helmut Riepl im Helenental in Wien, 1952 übernahm sein Vater ein Geschäft in Schörfling am Attersee, das später wiederum er weiterführte. Hellas war einer der ersten Taucher am Attersee. Schon im Alter von 15 Jahren unternahm
er – mehr aus jugendlichem Leichtsinn heraus – seine ersten Tauchgänge.
Das Wort Gefahr kannte er nicht. „Das Schönste daran ist die Schwerelosigkeit“,
schwärmt der Tauchpionier gut gelaunt von seiner Passion.

Mit der Zeit wurde auch die Ausrüstung besser. Ab 1959 war Hellas als Bergungstaucher für die Freiwillige Feuerwehr Kammer im Einsatz. 1964 kam man über die Franzosen zu ersten Tauchanzügen. Hauchdünn, aber immerhin. Geschätzt 60 in Not geratene Taucher hat Hellas mit dem Bergungsteam aus dem See geholt. Natürlich
habe es auch für ihn brenzlige Situationen gegeben, aber es sei immer alles gut ausgegangen. In all seinen 74 Jahren habe er sein Leben mehr als ausgekostet. Beim Tauchen genauso wie beim Paragleiten und Motorradfahren. Mehr könne man sich nicht wünschen.
Pioniere der Energie und Mobilität
Von einem Pionier des Wassers nun zu Pionieren der Energie und Mobilität. Doris Schreckeneder, die Chefin der Attersee-Schifffahrt in fünfter Generation und erste Frau in der Geschäftsführung in über 130 Jahren Firmengeschichte, entstammt einer großen
Unternehmerfamilie. Ihre Vorfahren waren Gründer der Stern und Hafferl Verkehrsgesellschaft, Mitbegründer der heutigen Energie AG und Erbauer der Schafbergbahn. Dass die Schiffe am Attersee nach den drei großen Künstlern Gustav Klimt, Gustav Mahler und Christian Ludwig Attersee benannt sind hat einen Grund. „Als ich das erste Mal beruflich an den Attersee kam, ging mir das Herz auf, und ich wusste sofort, was die Künstler am Attersee so faszinierte und inspirierte“, so die
Unternehmerin, die am Traunsee aufgewachsen ist, über das faszinierende Farbenspiel
mit dem türkisblauen Wasser und das imposante Höllengebirge, welches bei Sonnenuntergang rot leuchtet. Dass in den Adern der Juristin auch das Blut eines
Dichters und Lyrikers fließt, wissen nicht viele. Friedrich Hebbel, der zu den größten deutschsprachigen Dramatikern des 19. Jahrhunderts zählt, war der Urgroßvater von Doris Schreckeneder, die von so manchen Zufällen berichtet – obwohl sie ja eigentlich nicht an Zufälle glaube: „Mein Urgroßvater hatte auch seinen Sommersitz in Gmunden, gleich in der Nähe, wo ich wohne.“ Und vor über zehn Jahren habe ihre Mutter auf
einem Flohmarkt ein altes Hebbelbuch erstanden, welches sie der Großmutter übergab. „Diese klappte das Buch auf und siehe da: Sie fand einen originalen Hebbelbrief, welchen sie mir schenkte“, glänzt es in ihren Augen, während wir in See stechen. Den Nachklang der Anekdoten noch im Ohr, lassen wir uns nun von der Unternehmenskapitänin an Bord der „Gustav Klimt“ mit dem Fernrohr in der Hand die künstlerischen Seiten des Sees zeigen.

See-Kunst
„Ich sehne mich hinaus wie noch nie“, ist einer Ansichtskarte Klimts an seine Emilie Flöge am Attersee zu entnehmen, datiert mit 01.08.1901 in Wien. In der Belle Époque
war das Gebiet um den Attersee als Sommerfrische-Destination und für seine Künstlerkolonien bekannt. Es galt als Geheimtipp, während sich die Prominenz
in Kaisernähe im Raum Bad Ischl versammelte. Gustav Mahler residierte in den Sommermonaten der 1890er-Jahre im Gasthof Föttinger in Steinbach am
Attersee. Dort hatte der Dirigent und Komponist ein Komponierhäuschen am See, das noch heute zu besichtigen ist. Gustav Klimt wiederum entfloh gerne der Wiener
Großstadt, indem er seine Sommerdomizile im Bräuhof von Litzlberg, in der Villa Oleander in Kammer, im Forsthaus in Weißenbach sowie in der historistischen
Villa Paulick in Seewalchen aufsuchte. Der überwiegende Teil seiner über 50 bekannten Landschaftsgemälde sind in der Region entstanden. Ansichten von der Allee vor Schloss Kammer, Litzlberg oder der Kirche in Unterach zeugen davon.

See-Tradition
Zurück an der Schiffsanlegestelle Kammer. Wieder festen Boden unter den Fü.en, lockt die nahe gelegene „Bandlkramerey“. Das Haus wurde mit einem zauberhaften Café und einem interessanten Museum rund um die Firmengeschichte der Trachtenfamilie Tostmann wiederbelebt. Im ersten Stock wird der Bogen von der Gründung 1949 über erste Nähmaschinen und Webstühle bis zurück in die Zeit der Sommerfrische gespannt.„Meine 1915 geborene Großmutter Marlen Tostmann kannte Emilie Flöge noch persönlich und verbindet schöne Erinnerungen an diese faszinierende Frau“, kramt Anna Tostmann-Grosser in dritter Generation für uns in ihrer Familiengeschichte.
Stolz präsentiert sie das Herzstück des Museums: eine einzigartige Hauben- und Hütesammlung mit hunderten Exemplaren, welche die Großmutter in den 1930er-Jahren begann und Tochter Gexi fortführte.

See-Kulinarik
Einen Stock tiefer herrscht reger Kaffeehausbetrieb. In über 480 Jahren hat man schon viel erlebt. Doch dass noch einmal ein derartiger Schwung hier einkehren würde, davon hätte das ehemalige „Büchsenmeistergütl“, das den meisten Seewalchnern als „Roitherhaus“ bekannt ist, wohl nicht zu träumen gewagt. Vor sieben Jahren
hat die Familie Tostmann das halb verfallene Haus unweit ihres Trachtengeschäfts
gekauft und ihm neues Leben eingehaucht. Der Tradition verpflichtet, scheute man kaum Mühen: Aus dem Holz des Dachstuhls wurden Bänke und Stühle für das Café getischlert, die alten Bretterböden getrocknet, abgeschliffen und neu verlegt, alte Ziegel fanden beim sanierten Kachelofen am Boden Verwendung und an vielen Stellen erzählt
das Haus seine eigene Geschichte. Ein Blick auf die Kuchenvitrine in der einladenden
Gaststube lässt das Wasser im Munde zusammenlaufen. Alles hausgemacht,
so wie vieles hier. Die Speisen und Getränken stammen zu 99 Prozent aus biologischer Landwirtschaft, das Bio-Eis liefert das „Eiswerk“ aus Salzburg. Das nächste Mal müssen wir auf ein Dirndl-Frühstück herkommen, so der fixe Vorsatz.

Unweit von Schloss Kammer genießen wir am Ende des Tages den Sonnenuntergang auf der herrlichen Terrasse des Klimt Café-Restaurants, vor der rot schimmernden Fassade. Mit Blick auf das „Meer“, zwischen den grünmelierten Bäumen hindurch, sind die Spaghetti mit heimischen Flusskrebsen der reinste Genuss. Beim Schwelgen in Gedanken und Blättern in der neu erschienenen Klimt-Biografie aus dem Brandstätter Verlag ist zu lesen: „Er ist
nicht auf der Suche nach dramatischen Lichtsituationen, wie sie durch Witterung oder Tages- und Jahreszeiten entstehen. Er fängt in seinen Bildern das In-sich-Ruhen der Natur ein. Sein Blick ist nach Innen gerichtet, sozusagen auf die Seele der Natur.“ Zeitlos wie Klimt. Zeitlos wie der Attersee. Die Seele des Sees im Innersten entdeckt
Lassen Sie sich inspirieren!
Weitere Artikeln finden Sie in unserem Magazin.
Text: Petra Kinzl Fotos: Andreas Mühlleitner, Naturschauspiel/NUP Attersee-Traunsee. Daniela Stockinger, Kuratorium Pfahlbauten, ÖBf-Archiv Gerald Egger, Costadeoi, Klimt Foundation Wien/Georg Buxhofer 2017, Belvedere Wien, Tostmann, privat
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